Viktoria

Regisseurin, 41, verheiratet, 2 Kinder (2 und 4 Jahre)


#modernwife

Ich bin eine moderne Frau. Ich ziehe an was ich möchte, ich putze meinem Mann nicht ständig hinterher, ich bestimme das Fernsehprogramm, ich arbeite Teilzeit, ich erziehe die Kinder, ich erinnere meinen Mann an die Geburtstage seiner Eltern, ich backe in der Nacht noch schnell Kekse, damit wir mit den Kindern ordentlich Advent feiern können – Moooment!
Ich glaube fest daran, dass alle Menschen gleich viel wert sind (bis auf ein paar Persönlichkeiten, die ich nicht leiden kann, die sind in meinen Augen weniger wert, aber das ist was anderes), unabhängig von sozialem Status, Herkunft oder Geschlecht. Ich habe gesehen, dass mein Vater, Türke, kochen kann und putzen kann und meine Mutter hat sich nie ein Blatt vor den Mund genommen und ihre Chefin hat ihren Mann im Büro als geringfügige Arbeitskraft eingestellt.

Ich bin aus einer Generation, die eigentlich nicht mehr um Gleichberechtigung kämpfen müssen sollte. Ich selbst habe mich nie benachteiligt gefühlt, ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass es irgendjemand einfallen könnte, mich oder jemand anderen aufgrund des Geschlechtes anders zu behandeln. Zumindest, bis ich halbwegs Erwachsen wurde nicht.
Mit halbwegs Erwachsen meine ich mein eigenständiges Leben. Eigene Wohnung, eigene Einkunft, eigene Familie. Da fing es plötzlich an. Erst dachte ich, ich würde aufgrund meines jugendlichen Auftretens nicht immer ganz ernst genommen, ich bin nicht die Hosenanzugträgerin. Aber irgendwann ist man dann jenseits der 20er und spätestens jenseits der 30er weiß man, es liegt an etwas anderem. Dieses Gefühl habe ich nicht ständig, aber doch zu oft. Ich habe zum Beispiel gar nicht mehr mit unserem (ehemaligen) Versicherungsmakler kommuniziert, das hat mein Mann übernommen. Oder dass unsere (ehemalige) Stromgesellschaft mich in den Briefen immer mit „Herr Viktoria“ angeschrieben hat, weil das automatisch generierte Briefe waren. Viele unauffällige Kleinigkeiten, aber in Summe doch eigentlich sehr viel. Auch dieses „Haha, irgendwann müssen wir dann noch Salzstreuerin sagen, Hoho“. Diese Masse an Kleinigkeiten ist es, die doch nagt.

Als Kind wäre ich nie auf die Idee gekommen, irgendetwas nicht zu können, weil ich ein Mädchen bin. Ich war Pippi, wenn ein Buchheld ein Junge war, war er in meiner Phantasie natürlich ein Mädchen, weil nur Mädchen so toll sein können (ja, Sexismus geht in mehrere Richtungen)…
Aber irgendwann kommt das Bewusstsein, dass die Dame am Schalter in der Bank immer die Dame am Schalter bleibt, auch wenn inzwischen schon der Bursche aus der Nachbarschaft im selben Alter Direktor ist… Das ganz selbstverständlich der junge, kranke Bruder der Reitlehrerin den Hof erbt und Schwester und Mutter dürfen bleiben, wenn sie brav helfen… Und selbst sitzt man plötzlich zuhause auf dem Teppich inmitten von Lego, Spielzeugautos, Kuscheltieren, Keksbröseln, Polstern, Schokopapierln, während zwei kleine Kinder, eines davon wäre gerade zu wickeln, auf einem herumturnen, man verzweifelt versucht, den Gesprächspartner am anderen Ende des Telefons zu verstehen und sich fragt, warum man das Häferl mit dem inzwischen kalten Frühstückstee nicht ins Wohnzimmer mitgenommen hat.

Ich bestehe auf Gleichwertigkeit. Gleichberechtigung ist schwierig, weil oft hat man ja ganz andere Bedürfnisse. Und eventuell haben die Leute ja recht, die sagen, der Partner muss ja nicht das gleiche Bedürfnis nach Ordnung haben, wie man selbst und man darf nicht verlangen, dass er den Haushalt so schupft, wie ich es gerne hätte. Aber, und zumindest funktioniert das in unserer Beziehung, nicht der „Verdiener“ über Geld und Familie bestimmt, sondern es werden gemeinsame Entscheidungen getroffen, es zählen alle gleich viel.
Hausfrau zu sein war für mich immer der unmöglichste und am schlechtesten vorstellbare Job der Welt. Ich mag Ordnung zwar, aber ich mag nicht zusammenräumen. Vom Gefühl her ist immer eine gewisse Abhängigkeit vom Verdiener vorhanden und die Arbeit wird nicht wertgeschätzt. Allerdings verdient mein Mann deutlich mehr als ich und ich wäre auch nicht bereit, in einen Vollzeitjob zu gehen und so viel Lebenszeit meiner Kinder zu versäumen. Also habe ich mich dazu entschlossen, Teilzeit zu arbeiten, als ich allerdings ein Projektangebot aus meiner Branche bekam, habe ich den Nebenjob auf Geringfügig reduziert. Nach drei Jahren zu Hause ist jeder Arbeitstag wie ein Wellnessurlaub: ich arbeite in einer relativ ruhigen Umgebung, kann Staubsaugen, ohne erst Legoteile wegzuräumen und ohne dass der Staubsauger von witzigen Kindern ständig ausgeschaltet wird, weil „Bobo“ das ja auch so macht und bekomme dafür Geld! 

Das Problem am geringfügigen Job: die Kinder gehören betreut. Im Normalfall macht das der Mann. Üblicherweise im Homeoffice, was heißt, er schaut halb auf die Kinder und halb auf den Computer und die Arbeitszeit, die ihm verlorengeht, holt er dann in seiner Freizeit nach. An Samstagsdiensten ist er aber sowieso zu Hause. Das mein Wellnesstag dann allerdings schnell vergessen ist, wenn ich nach Hause komme, ist eine andere Geschichte.
Mein Mann behauptet gerne, er ist ja ein moderner Mann, aber. Mich erinnert das immer an „Ich bin ja kein Rassist, aber.“ Dieses „aber“ ist dann immer ein großes Beziehungsproblem. Mein Mann kommt aus einer erzkonservativen Familie, ist deutlich älter als ich und für seine Verhältnisse sicher sehr modern. Für die Schwiegermutter sogar so modern, dass sie vor lauter Stolz fast einen Herzinfarkt bekommt, wenn er beim Kaffeebesuch das Geschirr in die Küche bringt.

Ich bin jetzt 40. Die meisten meiner Freunde haben entweder bereits ältere Kinder oder keine. Wir wollten auch 10 Jahre früher Kinder, es hat aber gedauert, wir waren überglücklich, dass es im Endeffekt doch noch funktioniert hat. Ein Vorteil der späten Mutterschaft ist sicher, dass ich ein ganz anderes Selbstbewusstsein habe als früher. Ich lasse mir nicht viel dreinreden, was die Erziehung anbelangt, nehme zwar Tipps gerne an, bin aber nicht verunsichert durch diverse Besserwissereien. So habe ich meine Kinder recht lange gestillt. Zumindest für österreichische Verhältnisse. Und jetzt, wo ich wieder BH trage und den einen oder anderen Abend auch für mich beanspruche, finde ich mich in einer Selbstfindungsphase, einer Wiederfindung, vielleicht sogar einer Art Midlifecrisis wieder. Auf jeden Fall gehe ich vom Gefühl her weg von der Vollzeitmutti und beanspruche wieder mehr meine eigenen Bedürfnisse. Und ich merke, dass das teilweise gar nicht so leicht ist…


#Alltagsgeschichten

„Wo sind denn deine Kinder?“ „Beim Papa!“ „Ach, hat der heute frei?“ Die älteren Damen wollen es ganz genau wissen. „Ja, Wochenende hat er immer frei.“ „Und da schaut er auf die Kinder? Da hast du ja einen braven Mann!“
Mhm. Ja, er schaut auf seine Kinder. 1 Stunde, vielleicht 2, dann komme ich wieder nach Hause, dann ist er mit der anscheinend unzumutbaren Last nicht mehr alleine. Ich frage mich nicht, ob auch alle so bass erstaunt sind, wenn mein Mann irgendwo ohne Kinder aufschlägt. Aber ich besuche die Oma im betreuten Wohnen, da gilt das Wort „Gleichberechtigung“ für viele Einwohner fast schon als Schimpfwort.

Nach 1,5 Stunden komme ich nach Hause. „Und, haben die Kinder gegessen?“ Die Kinder klammern sich um meine Beine, der Mann steht von der Couch auf. „Nein, ich bin nicht dazu gekommen, die haben mich auf Trab gehalten.“ „Sonst was im Haushalt geschafft?“ „Nein, wie gesagt, die Kinder haben mich gebraucht, schließlich warst du nicht da.“ Ich steige über die Mischung von Bastelzeug, Lego und Plastilin und gehe in die Küche um zu kochen. „Hattet ihr Spaß?“ „Ja, danke! Haben wir keine Milch mehr?“ „Doch?“ „Im Kühlschrank ist sie nicht…“ „Ach, die steht noch am Tisch, die Kinder wollten eine.“ „Du weißt schon, dass die gekühlt gehört?“ „Ja, hätte aber ja sein können, dass sie noch ein wollen…“ 

Ich hole nicht nur die Milch, sondern auch gleich das angebrauchte Geschirr und bringe es in die Küche. Ich schaffe es durch den Spielzeugparcours ohne etwas zu zerstören oder mir wehzutun. Die kleinen Erfolge. „Spatz, räumst du bitte das Plastilin weg, bevor es hart wird? Papa hilft dir bestimmt!“ Ich höre zwei männliche Wesen im Wohnzimmer murren. „Ihr habt zehn Minuten, dann gibt’s Abendessen!“ Ich höre, wie sie diskutieren, wer was wegräumen muss. Ein bisschen hoffe ich, dass bei meinem Mann hängenbleibt, dass er auch gemeinsam mit dem Kind zusammenräumen kann. Dann fällt mir die Milch wieder ein und ich lasse die Hoffnung fallen.

Nach dem Essen machen wir die Kinder fertig fürs Schlafengehen. Ich lege mich zu den Kindern ins Familienbett, der Mann setzt sich im Wohnzimmer an seinen Computer. Bis beide Kinder schlafen dauert es, es ist 21.00 bis ich wieder ins Wohnzimmer komme. Der Mann schläft am Computer. Ich wecke ihn auf. Ich höre die vorwurfsvollen Stimmen in mir, die mir sagen, dass der arme Mann von der vielen Arbeit natürlich müde ist und ich ihn schlafen lassen soll. Aber gleichzeitig sehe ich die chaotische Wohnung und will einfach nicht wahrhaben, dass es meine Aufgabe sein soll, hier Ordnung zu schaffen. Also muss er aufstehen und helfen, auch wenn ich mich wie ein Hausdrache fühle. Zusammen schaffen wir es, das Chaos in einer Stunde zu beseitigen, bevor ich mir auf die Zunge beißen kann bedanke ich mich. „Bitteschön“, sagt er artig und geht Zähne putzen. Während ich mich über mich selbst ärgere kommt es ihm auch nicht ansatzweise komisch vor, dass ich mich dafür bedanke, dass er seinen Dreck selbst wegputzt…


#togetherwestand

„Woah! Ich komme mir echt oft so asozial vor! Ich meine, ich liebe meine Kinder, aber ich halte diese Superweiber kaum aus! Wenn man da sagt, es gibt heute Fischstäbchen, dann rufen die ja schon fast das Jugendamt!“ Ich lache. „Nein echt! Und meine Wohnung erst! Die würden wahrscheinlich einen Herzinfarkt bekommen!“ Ich kann nicht aufhören zu lachen. „Ich weiß was du meinst! Mir graut es, wenn der Briefträger kommt… Was der dann für eine Meinung von mir hat! Aber, das ist ja genau das Schlimme: Wetten, er denkt sich keine Sekunde: ,Boah, die arme Frau, was hat die für einen faulen Mann, der macht da ja viel zu wenig!‘?“ Jetzt lacht meine Freundin. Nicht ganz so herzlich wie ich. Eher mit einem frustrierten Unterton. „Ja, der arbeitet ja eh, aber ich verstehe einfach nicht, warum er nicht wenigstens seine Socken wegräumen kann!“ „Oder die Unterhosen! – Wobei, ich habe ja gelesen, es liegt nur daran, dass wir ein anderes Bedürfnis nach Ordnung haben, deshalb kann man eben nicht verlangen, dass die Männer unbedingt mithelfen müssen… 

Aber ich sehe es halt eher wie in einer WG, da müssen auch alle aufeinander Rücksicht nehmen.“ „Ja absolut! Du, ich habe übrigens gekündigt. Es zahlt sich vom Geld her nicht aus und ich habe dann endlich wieder mal ein paar Stunden nur für mich!“
Ich bin froh für sie. Obwohl es eigentlich ein bisschen traurig ist. Seit bald drei Jahren ist sie kein einziges Mal mehr für sich selbst draußen gewesen. Weil er ja nicht alleine aufs Kind schauen kann. Angeblich. Ich kannte das. Ich konnte da meinen Mann sogar verstehen, als ich das erste Mal alleine mit meinem Kind war hatte ich auch Angst, aber das ist recht schnell vergangen. Mittlerweile bleibt mein Mann auch am Abend alleine bei den Kindern und ich kann mal raus gehen. Ich habe das eben eingefordert und mein Mann hat sich auch nicht lange gesträubt. Aber es war ein Lernprozess für mich, wie in vielen anderen Bereichen: Niemand wird mir meine Wünsche erfüllen, ich muss mich selbst darum kümmern! Und ich bin nicht alleine; je mehr ich mit anderen Frauen spreche, umso mehr ähnliche Geschichten höre ich und wir bestärken uns gegenseitig: wir nehmen uns unsere Rechte und entschuldigen uns dafür nicht!