Ein Glossar zu den Texten

Eva, 38, in Beziehung, Lehrgangsleitung und Koordinatorin der GenderWerkstätte im Verein Frauenservice Graz

Die Geschichten berühren und machen traurig: Übergriffe, erlebte Ohnmacht, Isolation, wenig Unterstützung und Solidarität wo doch so viele ähnliches erleben. Trotz der MeToo-Debatte scheint noch lange nicht alles gesagt und noch viel weniger ist das Thema damit erledigt. Es ist notwendig darüber zu berichten.
Notwendig, weil es Teil der persönlichen Aufarbeitung sein kann, weil es dadurch möglich wird, zu erkennen, dass „ich nicht die einzige bin“, die so etwas oder ähnliches erlebt hat.
Notwendig, weil „das Private politisch ist“, d.h. es ist vielmehr als das individuelle Erlebnis einer Person; es ist ein gesellschaftliches Phänomen, ein gesellschaftliches Thema, das alle angeht.
Es kann hilfreich sein, sich auch theoretisch mit den Themen auseinanderzusetzen, das Glossar und die Timeline zu „Geschlechterrollen im Wandel“ können dafür ein Anfangspunkt sein. Und nicht zu Letzt gibt es zum Glück diverse Projekte und Organisationen mit viel Erfahrung, die Beratung, Begleitung und Unterstützung anbieten können. Eine aktuelle Liste mit Beratungsstellen in Graz gibt es hier: Beratung und Service

Glossar

Gender
… soziale Prozesse, in denen „Geschlecht“ als sozial folgenreiche Unterscheidung hervorgebracht und reproduziert wird.

Geschlecht
…. kann in mindestens fünf Dimensionen unterteilt werden: Körper, Identität, Ausdruck, Sexualität und Rolle.

Gleichstellung
Ziel ist die Verwirklichung von Gleichberechtigung von Frauen und Männern.

Konstruktivismus
Das soziale Geschlecht (“gender”, Verhaltensweisen, u.a.) ist nichts Natürliches, sondern wird sozial hergestellt.

Dekonstruktivismus
Auch das sogenannte “biologische” Geschlecht (“sex”) ist sozial hergestellt.

Zweigeschlechtlichkeit
Die Vorstellung, dass es Männer und Frauen gibt, nur diese beiden Kategorien, die einander ausschließen. Steht in Zusammenhang mit Heteronormativität.

Heteronormativität
Heterosexualität ist die Norm in einer Gesellschaft. Alles was davon abweicht, wird nicht gleichbehandelt, sanktioniert bzw. muss sich erklären. Steht in Zusammenhang mit Zweigeschlechtlichkeit.

Heterosexismus
… die Benachteiligung von nicht-heterosexuell Lebenden aufgrund von Heteronormativität und Zweigeschlechtlichkeit; so wie Sexismus die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts ist.

Geschlechtsidentität
… das Geschlecht dem sich jemand zugehörig fühlt.

Drag – Drag King – Drag Queen – Crossdressing
… sich über Kleidung, Verhalten, etc. „männliches“ oder „weibliches“ aneignen, im Rahmen von Kunstperformances (drag) oder auch im Privaten (crossdressing). Die Grenzen zu transgender sind fließend.

Trans* / Transgender
…ein Überbegriff für Personen, die sich entweder 1) nicht mit dem ihnen bei Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren oder 2) nicht in einem zweigeschlechtlichen System einordnen wollen.
z.B. FTM – Frau zu Mann – Transmann – oder einfach nur „Mann“
MTF – Mann zu Frau – Transfrau – oder einfach nur „Frau“

Cis* / Cis-Gender / Cis-Mann / Cis-Frau
… analog zu transgender bezeichnet Cisgender Personen, die sich mit dem ihnen bei Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren.

Queer
… Überbegriff für die Infragestellung von Zweigeschlechtlichkeit und Heteronormativität.

Inter-, intersex, intergeschlechtlich
… Personen, deren Geschlecht nicht eindeutig in die zweigeschlechtliche Norm passt.

LGBTIQA*
… Überbegriff für
lesbian / lesbisch
gay / schwul
bisexual / bisexuell
trans
intersex
queer
agender, aromantisch
* für alles weitere, weil diese Aufzählung nie abgeschlossen sein kann

Intersektionalität
… die Analyse der Verwobenheit und des Zusammenwirkens verschiedener Differenzkategorien und Dimensionen sozialer Ungleichheit und Herrschaft.

Non-binary, nicht-binär, genderqueer
… sind Oberbegriffe für Personen, die sich einfach nicht in das streng zweigeteilte Geschlechtersystem einordnen können oder wollen. In der Praxis bedeutet das für einzelne Personen unterschiedliches.

Toxische Männlichkeit
… beschreibt Verhaltensweise bzw. ein Selbstbild, das auf einem traditionellen, stereotypen und patriarchalen Männerbild basiert. „Toxische Männlichkeit“ (toxisch = giftig, vergiftend) meint nicht, dass alle Männer generell toxisch sind. Der Begriff bezieht sich auf übersteigerte und für die ganze Gesellschaft schädliche Verhaltensweisen und Einstellungen, wie z. B.: keine Gefühle/keine Schwäche zeigen, übersteigertes Konkurrenzdenken, Selbstanspruch, alles unter Kontrolle haben müssen/alles alleine schaffen zu müssen, Abwehr von vermeidlich „weiblichen“ Eigenschaften als Schwäche bis hin zu Gewalt an anderen und sich selbst.

Täter-Opfer-Umkehr oder „victim blaming“
Personen, die sexualisierte Gewalt (verbal oder körperlich, in „milder“ oder extremer Form) erlebt haben, müssen sich oft rechtfertigen. Sie werden angezweifelt, beschuldigt oder fragen sich selbst, ob sie die Kommentare, Dickpics oder Übergriffe nicht vielleicht provoziert haben, oder wie sie xx (was auch immer) verhindern hätten können, durch die Art, wie sie sich kleiden, wo sie sich aufhalten oder wie sie mit den Täter*innen umgegangen sind. So wird die Schuld und damit die Verantwortung für die Tat von den Täter*innen auf die Betroffenen abgewälzt. Deshalb hier noch einmal klar und deutlich: Die Verantwortung liegt ganz allein bei den Täter*innen.

Body Shaming
… bedeutet, eine Person aufgrund ihrer körperlichen Erscheinung zu beleidigen oder zu diskriminieren. Das kann alle treffen, vor allem werden jedoch weibliche Körper bewertend und herablassend kommentiert. Body Shaming betrifft nicht nur dicke Körper (Fat Shaming), auch sehr dünne, alte oder behinderte Körper können von Body Shaming betroffen sein. Body Shaming tritt in drei Varianten auf: die eigene permanente Kritik am Körper, die öffentliche Herabsetzung von Körpern und die versteckte, hinter vorgehaltener Hand Kritik an fremden Körpern (lästern).

Hassrede / Hate Speech
Der Begriff Hassrede (Lehnübersetzung des englischen hate speech) bezeichnet sprachliche Ausdrucksweisen von Hass mit dem Ziel der Herabsetzung und Verunglimpfung bestimmter Personen oder Personengruppen. In Österreich fallen Ausdrucksweisen, die zum Hass aufstacheln, unter die Gesetzgebung zur Verhetzung.

Silencing
… bezeichnet die Versuche, eine Person/einen Personengruppe mit aggressiver Sprache so lange einzuschüchtern, bis sie nicht mehr das Wort ergreifen. Auf Deutsch wäre eine mögliche Bezeichnung “mundtot machen”.

Weitere Infos z.B. unter 
https://www.nonbinary.ch/
https://empower-net.at/glossar/
https://marshmallow-maedchen.de/blog/body-positivity/was-ist-body-shaming-definition/
https://hateaid.org/taeter-opfer-umkehr/
Ingrid Brodnig: Hass im Netz, Was wir gegen Hetze, Mobbing und Lügen tun können, 2016