Sophie

Germanistik-Studium, Buchhändlerin, 33, im Theaterbereich tätig, in einer Beziehung, keine Kinder


Meine Erfahrungen mit Sexismus sind unterschiedlich und ich muss zugeben, dass ich die Situationen oft erst im Nachhinein als sexistisch erkannt habe. Beispielsweise hat mir ein Handwerker bei einer Baubesprechung in Anwesenheit von meinem Freund gesagt: „Nein, das muss schon passen, sonst ist die Chefin böse und dann hängt der Haussegen schief.“ Sicher muss die Arbeit passen, aber das sollte sie generell und nicht, weil ich der böse Hausdrachen bin. Umgekehrt, also auf meinen Freund gemünzt, hat übrigens kein Handwerker die Art von Witz gebracht. In der Situation habe ich mitgelacht, weil es am einfachsten ist und wahrscheinlich auch nicht böse gemeint war. Aber dieses Verhalten hilft mir eben nichts, weil geärgert habe ich mich trotzdem. Eigentlich hätte ich ihn auf den Witz ansprechen sollen und fragen, was er genau damit meint, aber dann wäre wahrscheinlich keine rege Diskussion entstanden, sondern betretenes Schweigen und die Frage wäre im Raum gestanden: Was ich, also sie eigentlich für ein Problem hat und warum sie keinen Spaß versteht. Ich habe den Witz dann nicht angesprochen. Das „Ansprechen“ empfinde ich als sehr schwierig, weil sich ja niemand gern aufs Auge drücken lässt, auf die eine oder andere Art sexistisch zu handeln und die Diskussion dann zumeist mit Worten wie „War nicht so gemeint“ im Keim erstickt wird.

Ein anderes Beispiel, bei dem mir immer wieder auffällt, wie tief sexistische Verhaltensweisen in der Gesellschaft verankert sind, ist bei der Arbeit. „Das passt eh für einen Buben oder?“ Zumeist werden mir dann Bücher mit Monstern oder Sportlern gezeigt. Nicht oft welche mit Einhörnern oder Prinzessinnen. Es geht dann schon auch irgendwie auch um die Hobbys des Kindes und was es gern liest, aber es werden dann oftmals die klischeehaft männlichen und weiblichen Bücher gekauft. Das zieht sich natürlich bis ins Erwachsenenalter fort. Männer kaufen nur selten Liebesromane.

Eine weitere Ausformung sexistischen Verhaltens, die ich oft erlebe, ist die „Fräulein“- Anrede. Diese wird zumeist von älteren Kundinnen und Kunden verwendet. „Männlein“ habe ich im Gegenzug noch nie gehört. Wenn ich die Kunden darauf ansprechen würde, wären sie wahrscheinlich peinlich berührt oder erbost. Auch hier schätze ich die Situation nicht so ein, dass eine spannende Diskussion daraus entstehen würde.
Zusammenfassend würde es, meiner Meinung nach helfen, offen über sexistische Verhaltensweisen zu reden, aber dafür bräuchte es auch den gesellschaftlichen Konsens, dass die Situation ernst ist und kein Witz.


das ewige abnehmen

Dein Körper ist dein Kapital. Mir scheint, dass das vor allem für Frauen gilt. Obwohl die Fixierung auf Äußerlichkeiten eigentlich vor niemandem mehr halt macht. Mir ist das schon früh passiert. Obwohl ich in meiner Jugend professionell in einem Verein geschwommen bin, also fünf bis sechs Mal die Woche trainiert habe und Wettkämpfe am Wochenende absolviert habe, kann ich mich an eine „amüsante“ Situation erinnern. 

Ich bin zu Hause auf der Couch gegammelt und mein Bauch hat durch diese Sitzhaltung eine Falte geworfen. Ich habe zu meiner Mutter, die neben mir gesessen ist, ernst gemeint: „Ich hab aber schon einen dicken Bauch.“ Meine Mutter hat gelacht und meinen vermeintlichen Bauch festgehalten und gemeint, dass ich doch versuchen soll aufzustehen. Da mein „Bauch“ nur eine Hautfalte war, ist mir das nicht gelungen. Ich bin sehr froh, dass meine Mutter so reagiert hat, wundere mich aber trotzdem, woher dieses falsche Selbstbild kommt. Soweit ich mich erinnern kann, haben mich meine Freund:innen und meine Familie nie auf mein Gewicht angesprochen oder gemeint, dass ich zu dick wäre. Ich kann meine eigenartige Selbsteinschätzung nicht nur auf die Pubertät schieben oder das „Erwachsen-Werden“, wo sich alle unwohl fühlen. Ich habe zu dieser Zeit immer gern „Sugar“ oder „Bravo“ gelesen. Diese Zeitschriften haben ganz genau vorgegeben, wie eine junge Frau zu sein hat, wie sie sich schminken soll, wie sie den Traummann ergattert. 

Eigentlich komisch, dass mir das so gefallen hat, aber das liegt vielleicht daran, dass ich ein Rezept für weibliche „Normalität“ bekommen habe, das ich einfach nachkochen konnte. Aber auch jetzt mit Mitte 30 ist mein Gewicht noch immer ein Thema, obwohl ich diese Fixierung eigentlich schrecklich finde. In Diskussionen echauffiere ich mich immer gern darüber, dass „frau“ körperlich entsprechen muss. Mir fällt dazu ein, wie ich für ein paar Monate in einem Fitnessstudio nur für Frauen angemeldet war. Ich habe mir gedacht, dass es dort eher leger zugeht, weil wir Frauen ja unter uns sind. Leider war das Gegenteil der Fall. Ich bin selten so genau gemustert worden, bei dem was ich mache, und das nicht von den Trainerinnen, sondern von den anderen Studiobesucherinnen. Ich habe auch selten so perfekt gestylte und geschminkte Frauen beim Trainieren gesehen. Geschwitzt haben dort nur die wenigsten. Ich bin dann nicht mehr hingegangen. 

Mir ist bewusst, dass das Beobachten im Fitnessstudio gewissermaßen normal ist, aber dieses gegenseitige Taxieren war mir zu viel. Vielleicht bin ich auch mit einer falschen Vorstellung hingegangen. Ich habe mir gedacht, dass, wenn Frauen unter sich sind, dann gilt es nichts zu beweisen, also, dass es möglich ist natürlich und ungezwungen zu sein. Ich blättere in den Illustrierten jetzt übrigens gleich zu den Kuchenrezepten und stelle mir vor, dass ich den Frauen im Fitnessstudio welche mitbringe, weil Kuchen erzeugt, meiner Meinung nach, immer eine entspannte Atmosphäre.