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Historikerin, Kuratorin, Künstlerin mit Hang zum Fußball, 46, verheiratet, zwei Söhne mit 9 und 7 Jahren

 

„Bitte, das kann ich noch toppen!“ Ich hol kurz Luft, um meinem absoluten Partyknaller loszuwerden, sprich: „die Mutter aller absurden Erlebnisse“. Auf diese Gelegenheit habe ich schon lange gewartet, während die Anderen sich quasi das Wort weitergegeben haben. Ich bin fast ein wenig aufgeregt. Auch wenn ich mich äußerlich super entspannt gebe, eh klar. In dieser doch eigentlich super legeren Gesprächsatmosphäre zu Wort zu kommen, war jetzt gar nicht so einfach. Meine Gegenüber scheinen ein wenig überrascht, dass ich mich zu Wort melde. Das irritiert mich jetzt ein wenig. Ich habe fast das Gefühl, die wollen das jetzt gar nicht hören. Aber, jetzt habe ich schon damit angefangen, das Wort und damit die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Und schließlich sind wir ja „unter uns“, in der kleinen Arbeitspause unserer gemeinsamen Klausur. Und verstehen uns wunderbar, gerade jetzt, in dieser informellen Situation, werden wir alle ein wenig lockerer und machen ein wenig auf.

Unser Thema, an dem wir uns gerade komödiantisch abarbeiten: absolut jenseitige Erlebnisse mit völlig Vorgesetzten. Im weitesten Sinn. Da lande ich mit meiner Geschichte sicherlich den absoluten Brüller! Gut, die Geschichten der Anderen waren auch nicht schlecht, sicherlich.
Da war dieser Filialleiter einer Bank, dessen PC absolut leer war, als ihn sein Nachfolger übernommen hatte. Kein einziges Dokument, keine einzige Datei, nichts, war darauf zu finden. Unfassbar, und dass, obwohl der Jahrzehnte die Filialleitung über hatte!
Oder der Professor an der Uni, der die Emails seines Assistenten frühestens nach einem Monat beantwortete. Der hat sich Jahre lang darüber gewundert, bis er draufkam, dass der Professor seinen PC gar nicht benutzt. Und seine Sekretärin ihm ab und an die Emails ausgedruckt auf den Schreibtisch legte.
Unglaublich, oder? Ja, da passt meine Geschichte doch perfekt. Geschichten aus einer anderen Zeit, aus einer anderen Welt.
„Jedenfalls, stellt euch vor, das war bei einer Ausstellungseröffnung. Ich, quasi das erste Mal in meiner Leitungsfunktion dort, spazier‘ so durch die Veranstaltung. Handshake hier, Vorstellung dort, eh das Übliche. Jedenfalls treffe ich am Weg einen ganz „honorigen älterer Herren“. Was weiß ich, wie einflussreich der sein soll. Jedenfalls wird mir das ganz ehrfürchtig zugeflüstert, bevor ich ihm als „die neue Leiterin“ vorgestellt werde. Ein bisserl bin ich mir da eh schon vorgekommen wie beim Nikolaus. Da nimmt er meine Hand und schaut mich ganz galant an und sagt, bitte, jetzt kommt’s: „Enchante, Madame. Auch schon mariée und mehrfache Mater?“
Ich schau in die Runde, um die Lacher abzufangen. Aber irgendwie sind die Gesichter merkwürdig verrutscht. Ich kann auf den ersten Blick gar nicht sagen, was da passiert ist. Irgendwie wirken meine Gegenüber eher peinlich berührt, als amüsiert. „Vielleicht sollten wir wieder reingehen, die fünf Minuten Pause sind sicherlich auch schon vorbei.“ Irgendwie hab ich das Gefühl, als hätte ich den Elfmeter verschossen.