Laureta

Sozialpädagogin, Trainerin in der Erwachsenenbildung, 42, ehrenamtlich im Frauenwohnhaus der Caritas tätig, verheiratet, 3 Kinder 3 ( 21, 18, 11 Jahre)


Als ich eines Tages auf der Straße Passanten über das Wort Sexismus sprechen hörte, gingen mir verschiedene vage Gedanken durch den Kopf. Es handelt sich dabei um ein Wort, das nicht nur eine Definition hat, sondern unterschiedliche Empfindungen hervorruft. Ein Phänomen.

Ich erinnerte mich an meine Heimat. An den Ort, wo ich geboren wurde und aufgewachsen bin. Wo die Wellen des Meeres an der Küste Melodien erzeugten, aber selten auch ein unangenehmes Geräusch, das seine innere Ruhe störte. Ich weiß nicht, warum dieses Geräusch mich an das Wort Sexismus denken ließ. Es ist meine Heimat, es sind die Wellen, die mich streicheln und dieselben Wellen, die in Zeiten von Stürmen auf die Küste treffen. Und du reagierst, als wärst du ein Fels, der einen frischen Schlag bekommt und lernt, stoisch zu bleiben, gestärkt durch den Instinkt der Selbstverteidigung. Der aber gleichzeitig der Realität unterliegt, indem er die ständigen Kollisionen der Wellen so demütig hinnimmt, als wäre es sein Schicksal.

Als ich in die Vergangenheit zurückblickte, erinnerte ich mich plötzlich an die Spaziergänge am Meer. Ich erinnerte mich an meine Kindheit, und damit auch an gewissen Worte, die ich oft hörte. Seltsamerweise sind diese Worte seit meiner Kindheit tief in meinem Gedächtnis verankert. Heute frage ich mich: Was war das Motiv eines Kindes, sich schwerwiegende Aussagen zu merken, ohne ihr Gewicht zu verstehen? Sie werden als ein Schatz aufbewahrt, nicht aus Liebe, sondern aus Neugier, das Rätsel zu lösen. Dort erkennst du, dass du in einer Welt lebst, in der Vorurteile hohe Mauern bilden – um dich nicht so erscheinen zu lassen, wie du bist. Mit deinem inneren Potenzial, das jenseits des Geschlechts vorliegt. Innere Werte bestehen jenseits eines engen Weltbildes, sie kennen keine Gewohnheiten, sondern die universelle Kraft, das wertzuschätzen und zu lieben, was wir unter Leben verstehen. Wie ein Rauch kommen aus meiner Erinnerung Sprüche wie:

 Wie gut es ist, einen Sohn zu haben!

Was für eine Ehre, einen Sohn zu haben!

Und ich dachte mir dabei – wird ein Junge nicht von einer Frau geboren? Erst später konnte ich nachvollziehen, warum mein Gedächtnis diese Ausdrücke gespeichert hatte. Und ich dachte, wie im Nebel, in meiner kindlichen Weltsicht: Und wenn das geborene Kind ein Mädchen gewesen wäre, würde das nicht Glück bringen? Ich versuchte, eine Antwort zu finden, aber stets vergebens. Diese Antwort würde ich erst später bekommen.

 Eine gute Nachricht kann sogar bedrohlich werden, um eine bittere Wahrheit ans Licht zu bringen. So war es bei mir.

 Eine Mutter zu sein ist ein Segen Gottes und eine Gelegenheit, all das spirituelle Potenzial freizusetzen, welches sie ihrem Geschöpf widmet. Du hast eine Verantwortung übernommen: eine Quelle der Liebe zu sein. Aber hängen Liebe, Hingabe, Selbstaufopferung vom Geschlecht ab?

Später habe ich mich mit dem Phänomen beschäftigt, um zu verstehen, was in einer Gesellschaft passiert, wo menschliche Werte es wagen, sich mit einem Geschlecht zu identifizieren. In einer Gesellschaft mit verzögerter Demokratie. In einer Gesellschaft, die Zeit braucht, um alte Vorurteile zu überwinden.

Ich denke oft zurück an meine Freundin, als sie Mutter wurde. Und in dem Moment, als sie ihr erstes Kind zur Welt brachte, eilte ich beglückt zu ihr, um ihr zu gratulieren. Da ich in ihrem Familien- und Freundeskreis bin, gratulierte ich meiner Freundin und ihrem Mann. Mir wurde klar, dass die Atmosphäre nicht meinen Erwartungen entsprach, nachdem ich sie nach dem Gesundheitszustand des Babys gefragt hatte, obwohl es offensichtlich ein gesundes kleines Mädchen war. Der Vater des Kindes sagte mir verzweifelt: Und den Jungen, den ich wollte, haben wir nicht bekommen, sondern ein Mädchen. Sein Bruder sagte daraufhin: – Mach dir keine Sorgen, du wirst auch einen Sohn bekommen!

Verblüfft fragte ich: „Du bist Vater eines Mädchens, ist es nicht dasselbe?“ Und gleichzeitig fragte ich mich selbst: Bringt ein Mädchen nicht das gleiche Glück? Ein anderer tröstete den verzweifelten Vater weiter. Meine Frage blieb in der Luft, niemand antwortete, als hätte ich sie nie gesagt.

Später sprach ich mit meiner Freundin, die unter dem Druck ihrer Familie stand. Sie sagt mir, dass in ihrer familiären und sozialen Weltanschauung der Junge fähiger ist als ein Mädchen. Ich erinnerte mich an Persönlichkeiten aus der Weltgeschichte: sowohl an Mutter Teresa, als auch an Gandhi, an Kleopatra aber auch an Cäsar. Ich erinnerte mich an Odysseus der antiken Literatur sowie an Penelope.

Dies war meine erste Begegnung als Erwachsene mit dem Wort Sexismus, und ich war entsetzt. Ich war traurig für mich selbst, dass ich ein Mädchen war. Ich war traurig über die Gesellschaft, die es einem Mädchen nicht erlaubt, ihre Rolle als Frau in dieser Welt auszuleben. Ich fühlte eine innere Rebellion, aber das war nur ein Funke, der leuchtete und unmittelbar wieder erlosch. Und anstatt den Kampfgeist zu entfachen, war ich betäubt, ich fühlte mich schwach. Ich dachte zurück an meine anstehende Frage, die nicht gehört, nicht wahrgenommen, nicht bedacht wurde. Ist es nicht zuletzt eine Aussage einer Frau?

Wie ungünstig ist es für eine Gesellschaft zu glauben, dass Werte, Fähigkeiten und menschliche Beiträge vom Geschlecht oder sogar der sexuellen Orientierung abhängen? Wie ist es möglich, bei der Geburt zu bestimmen, welche Rolle das Individuum in dieser Welt haben wird? Auch die Weltanschauung, dass ein Junge der Gesellschaft mehr dienen wird? Welcher Prophezeiung können wir glauben, während Gesellschaften im Laufe der Zeit das Gegenteil bewiesen haben?