Ladas Geschichte


2019. Das Jahr war für mich ein Wendepunkt. Ich hatte es endlich geschafft, mein Fußpflege-Geschäft im September zu eröffnen. Das bedeutete für mich endlich einen Einstieg in das finanzielle Wachstum nach fast zwei Jahren Arbeitslosigkeit. Das Geschäft war ein Traum, der nach fünf Jahren in Erfüllung ging. Jedes Monat wuchs mein Baby um ein paar Kunden in der Woche.

Parallel lief der Scheidungsprozess über Rechtsanwälte, und am 6. Dezember 2019 war es soweit. Ich war wieder ledig, nach 9 Jahren. Das Sorgerecht ums Kind wurde gleichmäßig geteilt, und ich wurde zu einer dreieinhalb-Tage-in-der-Woche-Mama.

Nun hatte ich recht viel Zeit für Selbstentwicklung.

Am Tag des Nikolaus

War meine Ehe aus.

Ich hab verlassen das Gericht

Geschieden. Nass war mein Gesicht.

 

Es war eine Ablöse

Von dem gemeinen Bösen,

Doch nun war ich befreit

Vom Alimentenstreit.

Dezember war sehr produktiv –

Beruflich und privat gut lief.

Die weihnachtliche Kohle

Verbrauchte ich in Polen.

 

Die folgende Silvesternacht

Wir feierten mit voller Pracht.

Versichert, dass das neue Jahr

Stellt Optimierungen uns dar.

 

Zuerst war eh alles normal.

Geschäftlich ging es optimal,

Privat war auch nicht so schlecht –

Also mein Glück war ziemlich echt.

 

Im Jänner schafften mir die Bälle

’Ne lukrative Arbeitswelle.

Stabil schien alles allgemein.

Ich hab`s geschafft!

Und ganz allein!

Ende Februar habe ich gemerkt, dass im Geschäft deutlich weniger los war. Ich war perplex. Dadurch, dass ich viel Zeit im Geschäft verbrachte, habe ich keine Zeitungen gelesen und kein Fernsehen geschaut. Zum Glück erzählten meine Kunden mir immer die wichtigsten Nachrichten. Das Thema Corona-Virus war schon aktuell, aber niemand betrachtete es als wichtig. Als aber die Frequenz der Kunden runterging, habe ich mich gewundert, ob es doch was mit dem Virus zu tun hatte. Ich habe mir kurz überlegt, ob ich meine Geschäftsstrategie anpassen soll, aber ich war mir nicht sicher, was genau das Problem war, warum kamen die Leute nicht mehr wie früher? Dann habe ich mit Verkäufern, Friseuren und Gastronomen in der Innenstadt gesprochen und viele haben gemeint, es sei wirklich weniger los. Dann hatte ich so wenig Einnahmen, dass ich ernsthaft überlegte das Geschäft endgültig zu schließen. Doch dann war eine Pressekonferenz nach der anderen…

Das Jahresamt war übernommen

Von Februar, und mein Einkommen

Hat angefangen sich zu mindern.

Ich wollte handeln, aber wie denn?

 

Dann hab ich langsam rausgefunden,

dass auch dem Handel fehlen Kunden.

Es sei ein Virus überall.

Die ganze Welt ist jetzt viral!

 

Ich dachte mir, na geh, was soll das?

Geht bald vorbei, ist nichts besonders.

Doch hat das Ganze erst begonnen:

In aller Munde war Corona.

 

Im März war mein Geschäft fast leer.

Und wusste ich, so geht’s nicht mehr.

Doch ging noch tiefer der Absturz:

„Es sei ein Lockdown!’’ sagte Kurz.

 

Wir müssen brav zuhause weilen

Um nicht den Virus zu verteilen.

Es gibt genug vom Geld und Essen,

Die Leute sollen sich nicht stressen.

 

Der Bundeskanzler klang seriös,

aber das Volk wurde nervös.

Und plötzlich explodierte Gier

Für Pasta und für Klopapier.

 

Ich hatte auch Angst natürlich,

Und blieb zuhause ganz willkürlich.

Die plötzlich eingekehrte Stille

tat gut, zusammen mit Promille.

 

Es ging mir gut prinzipiell.

Ich hatte Futter und das Geld.

Der Hund ging Gassi zwei mal täglich,

Also das alles war erträglich.

Damals wohnte ich direkt am Karmeliterplatz, über dem Weg zum Schloßberg. Es war eine Grazer Drehscheibe, wo immer viel los war, immer. Doch nach dem angekündigten Lockdown war die ganze Gegend komplett ausgestorben, es war unheimlich. Wie im Krieg oder in einem Stephen King Roman… Ich hatte viel Angst alleine in der Nacht zu sein, weil ich fürchtete, dass Kriminelle die Situation nützen könnten. Aber die Polizei patrouillierte ständig in der Umgebung, also rein logisch war es doch nicht zum Fürchten. Trotzdem habe ich abends jeden Tag das Haustor, das immer offen war, zugesperrt.

Inzwischen hat meine Steuerberaterin mich beruhigt, dass ich auch im Rahmen der politischen Reaktion eine finanzielle Unterstützung bekommen werde. Da atmete ich kurz aus.

In den ersten Wochen des Lockdowns bekamen die Kinder von ihrer Lehrerin ein paar Unterlagen, was für einen Zweitklässler nicht so schlimm war. Mein Kind hat kooperiert und ich war froh, dass wir so reibungslos den Lernprozess zuhause umsetzten. Aber ab der zweiten Woche hat das Kind kapiert, dass diese Geschichte jetzt dauerhaft ist und hat einfach nicht mehr mitgemacht. Die erste Challenge war, ihn zu überzeugen sich zum Tisch zu setzen und mit den Aufgaben anzufangen. Alleine wollte er auf gar keinen Fall. Da habe ich die gesamte Palette von Emotionen ausgelebt – Wut, Enttäuschung, Verzweiflung –, aber aufgeben wollte und durfte ich nicht. Ich lobte und animierte, versprach Belohnungen und weinte und er war nur kurz wieder dabei und dann fing alles von vorne an.

Bis ich entdeckte das Homeschooling.

Vergesst das Mobbing und das Bulling.

Da diese Art der Quälerei

Bringt allen nur das Weinen bei.

 

Die erste Woche war ganz gut.

Das Kind war flott, ich – resolut.

Ich war so stolz auf mich und ihn.

Und protzte: Ich bin Lehrerin!

 

Doch dann das Kind hat protestiert:

„Ich will nicht! Bin unmotiviert!’’

Und jeden Tag gibt’s neues Drama,

wobei das Kind bekämpft die Mama.

 

All pädagogische Modelle

Aus internationalen Quellen

Hab ich umgehend ausprobiert

Und… es hat nicht funktioniert.

 

Das Schuljahr haben wir geschafft,

Mit zwei in Deutsch nur leicht bestraft.

Gott segne Elternunterricht

Und sei barmherzig dein Gericht!

Der März schenkte uns damals ein paar sonnige und warme Tage, da verbesserte sich die Stimmung wieder, und ich überlegte, ob ich jemanden kennen lernen soll, nur so, am Abend zum Chatten. Einige Freundinnen waren längst dabei und hatten durchaus gute Erfolge. Lange weigerte ich mich, die Methode auszuprobieren, aber dann war es so weit. Ein guter Freund, der eine Tinder-Koryphäe war, hat mich durch die Profileinrichtung begleitet. Und da öffnete sich die Schatztruhe. Ein sehr sympathischer Junge war mein erstes und letztes Match. Er war zehn Jahre jünger und arbeitete im LKH. Die meisten Gespräche waren über Corona. Er war schüchtern und ziemlich langweilig, also hat sich nach drei Tagen die Liebe einvernehmlich aufgelöst. Mein Fazit: Tinder swipen war lustig und lehrreich Aber was ganz neu für mich war ist Langeweile, die mich einfach überfordert hat.

 

Nun im globalen Netz

wir trafen uns’re Friends,

und feierten online

um nicht allein zu sein.

 

Am Anfang trieb ich recht viel Sport

und wurde schlank und fit sofort.

Aber danach verlor ich Lust

und größer wurden Hüft’ und Brust.

 

Zum Glück gab es Spar und Bipa!

Für die Ausflüge waren die da.

Kosmetikzeug und Waschlotionen

erzeugten gute Emotionen.

 

In der globalen Pandemie

wir fürchteten die Pneumonie,

doch sorgt für unser Wohl

Tabak und Alkohol.

Geschieden, Single, nicht gepaart.

In diesem Sinne war auch hart.

Um Herzensschmerzen zu vermindern

hab ich beschlossen mich zu tindern.

 

Im Lockdown wirkte’s ganz normal

mich zu verknüpfen digital.

Nach hunderttausend Männerbildern

erledigt war für mich das Tindern.

Nicht jede starke Frau aushält

die digitale Männerwelt.

Da manchmal spritzt Testosteron

auf mich direkt aus dem Iphone.

 

Mit oder ohne Mann ist schön,

So meine Emanzipation.

Der Virus griff an auch die Liebe –

Hat und davon und zu getrieben.

 

Endlich war der Lockdown vorbei. Ab Mai durfte ich das Geschäft wieder aufmachen aber die Schule war noch dicht. Jeden Vormittag erledigte ich mit dem Sohn die Aufgaben, dann lief ich ins Geschäft um ein paar verzweifelte Kunden zu behandeln. Es war eine Zeit der Hochspannung, aber ich wusste, dass sie bald vorbei sein würde. „Augen zu und durch“ war das Motto.

Mitte Mai haben die Schulen wieder mit Präsenzunterricht angefangen. Endlich! Allerdings, der Unterricht fand jeden zweiten Tag statt, und die Tage waren jede Woche anders. Das heißt, die neue Variante vom Home Schooling war nicht mehr nur anstrengend, sondern auch verwirrend – zu beachten war, was für welchen Tag zu tun ist und an welchen Tagen ich arbeiten kann.

Im Sommer hat sich das Leben fast normalisiert. Die Grenzen waren offen, die Lokale auch und die Stadt pulsierte. Die Arbeit war da, das Schuljahr war zu Ende und die Großeltern durften das Kind betreuen.

Im Hochsommer hatte ich recht viel Arbeit. In meinem kleinen Arbeitsraum, wo die Luft nicht so gut zirkulieren kann, trug ich den ganzen Tag den Mundschutz. Oft am Abend konnte ich nicht mehr tief einatmen. Die Lungen waren zu schwach. Die Haut um den Mund war unrein. Es war inzwischen sehr anstrengend, aber ich habe mich immer aufgemuntert, indem ich mich an Kalifornien erinnerte: dort mussten Leute auch draußen, zum Beispiel beim Wandern oder am Strand, Masken tragen… In Relation, dachte ich, sind wir gesegnet.

 

Noch nicht zu Ende mein Gedicht!

Es geht jetzt um die Maskenpflicht.

Zehn tausend Pickel um den Mund?

Egal. Hauptsach’ bin ich gesund.

 

Im Sommer war es heiß wie immer.

Der MNS machte es schlimmer.

Den ganzen Tag im kleinen Raum

fast ohne Luft war es ein Alptraum!

Was mich aber an der Maske stört,

ist, dass sie aufs Gesicht gehört.

Genau dorthin wo man viel liest

die Emotionen… und auch niest.

 

Ich habe mittlerweile Kunden

die mich in der Pandemie gefunden,

von denen kenn ich kein Gesicht,

und ihr Lächeln kenn ich nicht.

 

Doch manchmal wirkt schon so ein Tuch

kaschierend für den Mundgeruch.

Also wie ganz normal im Leben

es gibt für alles zwei Seiten eben.

Als die Tage im Frühling wärmer wurden, habe ich angefangen, vormittags zu laufen. Es tat unglaublich gut. Und es war schön zu sehen, wie viele Leute auch joggen oder spazieren waren, da hatte ich das Gefühl, dass die Menschen nicht aufgeben und tun was sie können, um sich zu stärken und gesund zu bleiben.

Wo im Stadtpark in der Früh fleißig gesportelt wurde, wurde am Abend gesof… gefeiert. Riesige Gruppen haben sich auf der Wiese in Clustern ausgebreitet und die Jugend hat sich wieder offline sozialisiert. Dabei haben ihr diverse Substanzen, Musik und Sportgeräte geholfen. Ich ging abends Gassi mit dem Hund und staunte. Es war schön, so viele glückliche Menschen zu sehen und es war komisch unter den Umständen.

Mir ist ein neues Phänomen aufgefallen. Die älteren Menschen, wie einige von meinen Kunden, haben die Jugend ganz stark dafür kritisiert. Für mich war es ein verwirrendes Gefühl: ihre Gesundheit und Sicherheit waren mir sehr wichtig und ich teilte die Empörung. Anderseits, die glückliche Jugend war so inspirierend und vital, dass mich ihre übertriebene Sorglosigkeit nicht geärgert hat. Aber irgendwie war es für mich traurig, dass die Gesellschaft sich gespalten hat.

„Was ist mit diesen Idioten?

Sich amüsieren ist verboten!

Sie halten sich an die Regeln nicht,

und schei__en auf die Bürgerpflicht!

 

Wir passen auf so richtig brav

und unterdrücken den Bedarf

für zwischenmenschlichen Kontakt

und sind unschuldig – das ist Fakt!“

 

Politisch, ethisch, sozial –

es kracht inzwischen überall.

Seit einem Jahr regiert der Keim

im Ausland und bei mir daheim.

 

Durch diese zwanghafte Erholung

wir uns vom Virus schützen sollen.

Aber in Wahrheit brach zusammen

die Menschheit statt den Virusstammen.

 

Das Wort des Jahres ist Verlust

von Jobs und Geld bis Lebenslust.

Der Arme und der Reiche leiden,

weil doch nur Menschen sind die beiden.

 

Das Ende ist noch nicht zum Sehen,

wie lange dauern noch die Wehen?

Wann werden endlich wir geboren

zur alten Welt die wir verloren?.